Das Down des zweiten Lockdowns
Der zweite Lockdown ist psychisch belastender, Tendenz steigend. Und das vor allem für Kinder und Jugendliche.
Forscher der Universität des Saarlandes untersuchen seit einem Jahr die psychischen und sozialen Folgen der Pandemie. 1500 Frauen und Männer beteiligen sich hierzu regelmäßig an den Befragungen für die Studie «Alles anders?».
Die Forschungsgruppenleiterin stellt fest, dass die psychische Belastung der Bevölkerung unter den Lockdown-Auswirkungen steigt. Gleichzeitig nimmt das Wohlbefinden und die mentale Gesundheit der Menschen in Deutschland zusehends ab – mehr als bei den Maßnahmen im Frühjahr 2020. Auch die Lebenszufriedenheit sei deutlich zurückgegangen, und Sorgen, Stress und Depressivität sind gestiegen.
Pessimistischere Wahrnehmung der Gesellschaft
Nach den Lockerungen im Frühsommer 2020 war eine rasche Besserung eingetreten und die Lebenszufriedenheit entsprach relativ schnell wieder dem ungefähren Zufriedenheitswert vor der Pandemie. Nur während die Menschen im ersten Lockdown noch den Eindruck hatte,n, dass die Gesellschaft stärker zusammenrücke und die Hilfsbereitschaft gestiegen sei, wird das allgemeine Verhalten nun eher als egoistisch und auseinanderdriftend eingeschätzt.
COPSY Studie nach dem ersten Lockdown
In der COPSY-Studie („Corona und Psyche“) des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf (UKE) werden die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf die seelische Gesundheit, und das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen in Deutschland untersucht. Dafür wurden zum ersten Mal zwischen dem 26. Mai und 10. Juni 2020 mehr als 1000 11- bis 17-jährige Kinder und Jugendliche, und 1500 Eltern online befragt.
Auch Kinder und Jugendliche stärker psychisch belastet
Die Studie zeigt klar, dass die psychische Gesundheit und Lebensqualität von Kindern stark beeinträchtigt sind, vor allem während des Lockdowns. Zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen gaben an, durch die COVID-19-Pandemie hoch belastet zu sein und schätzen ihre Lebensqualität geringer ein. Sowohl Ängste, Depressionen als auch psychosomatische Symptome stiegen im Vergleich mit Ergebnissen vor der Pandemie. Die seelische Gesundheit war bei 17,8 % beeinträchtigt (versus 9,9 % vor der Pandemie), und die Angst stieg von 14,9 auf 24,1 %. Wobei Kinder aus sozial schwachen Familien oder mit Migrationshintergrund signifikant mehr beeinträchtigt waren.
Über 50 % empfanden den Unterricht zu Hause und das Lernen als schwieriger als vor der Pandemie, die Mehrheit gab an weniger soziale Kontakte zu haben, und nahezu 40 % der Kinder und Jugendlichen berichteten, dass ihre freundschaftlichen Beziehungen beeinträchtigt wurden. 25 % gaben an, dass der Streit in der Familie zunahm.
Die Kinder und Jugendliche zeigten depressive Symptome:
- 62,1 % hatten Konzentrationsprobleme
- 58,4 % zeigten wenig oder keine Freude an Aktivitäten
- 33,7 % fühlten sich traurig.
Psychosomatische Beschwerden verstärkten sich wesentlich im Vergleich zu vor der COVID-19 Krise:
- Gereiztheit 53 %
- Schlafstörungen 43 %
- Kopfschmerzen 41 %
- Niedergeschlagenheit 34 %
- Bauchschmerzen 31 %
Zwischenergebnis der COPSY Studie im zweiten Lockdown
Das aktuelle Zwischenergebnis der COPSY Studie von Dezember 2020 bis Januar 2021 zeigt, dass der zweite Lockdown junge Menschen noch stärker belastet.
Besorgniserregend ist, dass mittlerweile fast jedes dritte Kind unter psychischen Auffälligkeiten leidet. Ängste und Sorgen haben noch mehr zugenommen und auch depressive Symptome und psychosomatische Beschwerden sind verstärkt zu beobachten.
Zwischenzeitlich fühlen sich 80 % der befragten Kinder und Jugendlichen durch die Corona-Pandemie belastet, versus 66 % im letzten Jahr. Die Verschlechterung ihrer Lebensqualität stieg im Verlauf der Pandemie von 30 % vor der Pandemie, über 60 %, auf nun 70 %. Dazu kommt, dass sich mittlerweile auch Eltern durch die anhaltende Pandemie belastet fühlen und vermehrt depressive Symptome zeigen.
Ungesunde Lebensweise
Das Gesundheitsverhalten der Kinder und Jugendlichen hat sich im Vergleich zum ersten Lockdown ebenfalls deutlich verschlechtert: die Kinder ernähren sich ungesund (viele Süßigkeiten), und im Vergleich zu der ersten Befragung hat sich der Anteil derer, die überhaupt keinen Sport mehr machen verdoppelt – auf nun zehnmal so viele wie vor der Pandemie. Rund 40 % sagen, sie hätten aktuell gar keine Bewegung mehr. Dafür ist die Bildschirmzeit signifikant gestiegen, vor allem vor dem PC und Smartphone verbringen die Kinder und Jugendlichen nun mehr Zeit.
Schlechte Stimmung bei Familie und Freunden
Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien sind besonders betroffen, zeigen häufiger psychische Auffälligkeiten und sehen die Zukunft pessimistischer als solche aus stabilen Verhältnissen mit gutem Familienzusammenhalt. Die Stimmung in Familien ist insgesamt jedoch schlechter geworden. Auch das Verhältnis zu Freunden ist nach Einschätzung von 40 % der Befragten erneut schlechter geworden.
Vergleich mit anderen Studien
Übrigens stimmen die Ergebnisse der COPSY Studie mit nicht repräsentativen Studien aus China, Indien, Brasilien, USA, Spanien und Italien überein bezüglich der negativen Auswirkungen der Covid-19 Maßnahmen auf die mentale Gesundheit.
Die COPSY Studie läuft weiter und wird in den kommenden Monaten untersuchen, wie sich Stimmung und Persönlichkeit der Menschen durch die Pandemie langfristig entwickeln. Eine weitere Evaluierung ist für Sommer 2021 geplant. Auf diese Ergebnisse kann man in der Tat gespannt sein, vor allem in Bezug auf daraus abzuleitenden Maßnahmen, um diese besorgniserregenden Entwicklungen wieder umzukehren……
Quellen:
- Ärztezeitung: Alles anders? Umfrage: Psychische Belastung im Lockdown steigt
- (PDF) Impact of the COVID-19 pandemic on quality of life and mental health in children and adolescents in Germany
- Child Public Health – COPSY Study
- Pressemitteilung – Psychische Gesundheit von Kindern hat sich während der Corona-Pandemie verschlechtert