Körperwunder: Hüte deine Zunge
«Alle menschlichen Organe werden irgendwann müde, nur die Zunge nicht.“
Konrad Adenauer
Die Zunge ist nicht nur aufgrund ihrer Unermüdlichkeit ein besonderes Organ. Denn sie ist zugleich Muskel, Sinnes- und Abwehrorgan, und weist auch anatomische Besonderheiten auf. Muskulär bewegt sie Essen im Mund und bildet Laute beim Sprechen. Über die Geschmacksrezeptoren in der Zungenschleimhaut und durch ihre Tastfunktion fungiert sie als Sinnesorgan, und als Abwehrorgan ist der Zungengrund mit lymphatischem Gewebe bedeckt.
Die Zunge füllt fast die gesamte Mundhöhle aus, und ruht auf den Muskeln des Mundbodens. Der muskuläre Bau der Zunge ist im menschlichen Körper einmalig, denn ihre Muskelfasern verlaufen in alle drei Hauptrichtungen des Raums: von vorne nach hinten, vom Rand zur Mitte, und von oben nach unten. Diese dreidimensionale Anordnung der Muskelfasern ermöglicht der Zunge ihre außergewöhnliche Beweglichkeit. Darüber hinaus ist sie der einzige Skelettmuskel, der sich selbst verlängern kann. Durch das Zusammenziehen der vertikalen und der queren Muskelfasern wird die Zunge nämlich verengt und damit verlängert. Dadurch kann man die Zunge herausstrecken.
Auf der Oberfläche der Zungenschleimhaut befinden sich unter anderem die Fadenpapillen, die die Oberfläche aufrauhen und die Tastempfindung vermitteln. Und wer hätte das gedacht – tatsächlich hat die Zunge das feinste Tastempfinden des Körpers. Deshalb kann sich ein kleiner Speiserest zwischen den Zähnen anfühlen wie ein mächtiger Brocken. Die Pilzpapillen, Wallpapillen und Blattpapillen der Zungenschleimhaut tragen Geschmacksknospen und vermitteln unseren Geschmackssinn. Darüber hinaus befinden sich auch Geschmacksknospen auf Gaumensegel, Nasenrachen, Kehlkopf und oberer Speiseröhre.
Der Mensch kann 5 Geschmacksqualitäten unterscheiden, die allerdings nur in bestimmten Zungenbereichen empfunden werden:
- süß: v.a. an der Zungenspitze
- sauer: am Zungenrand
- salzig: an Zungenspitze und Zungenrand
- bitter: im Bereich der Wallpapillen (hinteres Drittel des Zungenrückens)
- und umami(Eiweiß/Glutaminsäure)
Eine sechste Geschmacksqualität – Fett – wird diskutiert. Scharf wird zwar als Geschmacksempfindung wahrgenommen, ist aber genau genommen ein Schmerzsignal der Nerven.
Die Zunge dient auch dem Sprechen. Die Klangfarbe der Stimme wird vor allem vom «Ansatzrohr» in Rachen, Nase und Mund bestimmt. Der Kehlkopf gibt nur die Stimme. Die Laute werden aber durch Zunge, Gaumen, Lippen und Zähne gebildet. Man kann also auch noch nach der Entfernung des Kehlkopfes reden, allerdings nur im Flüsterton.
Die außergewöhnliche Vielfältigkeit der Zunge macht deutlich, dass es durchaus sinnvoll ist seine Zunge zu hüten, und das im doppelten Sinne. Organisch, damit wir keine Einschränkungen erleiden, und im Sinne der Redewendung, indem wir darauf achten, was wir sagen. Denn wie schon Erasmus von Rotterdam sagte „von der Zunge hängen des Menschen Würde und Glück ab.
Quelle:
- „Lehrbuch Anatomie“, Lippert