Behandlungsfehler in der Medizin
Ein Blick auf die aktuelle Jahresstatistik
Die Sicherheit von Patienten in der medizinischen Versorgung ist ein zentrales Anliegen, denn das höchste Gebot jedes Arztes und Therapeuten ist «Primum non nocere», was so viel bedeutet wie «Zuerst nicht schaden.» Das Wohl des Patienten steht somit an erster Stelle. Die jüngsten Zahlen des Medizinischen Dienstes Bund zur Behandlungsfehlerstatistik für das Jahr 2023 werfen daher einen wichtigen Blick auf die Herausforderungen und Entwicklungen in diesem sensiblen Bereich. Der Medizinische Dienst beurteilt Behandlungsfehler sowohl im stationären Bereich (Krankenhäuser) als auch im ambulanten Bereich (z.B. Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen).
Zahl der Behandlungsfehler
Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 3.160 Behandlungsfehler festgestellt, die zu Schäden bei Patienten führten. Diese Zahl ist alarmierend, insbesondere wenn man bedenkt, dass die Gutachter des Medizinischen Dienstes im Jahr 2023 rund 12.438 Verdachtsfälle bearbeitet haben – das ist etwa viermal so viel wie im Vorjahr, als 13.059 Vorwürfe gemeldet wurden. Dies zeigt, dass das Bewusstsein für mögliche Behandlungsfehler wächst und mehr Patienten bereit sind, ihre Erfahrungen zu melden.
Schadensersatzansprüche und Folgen
Von den festgestellten Fehlern waren in jedem fünften Fall (2.679) die Fehler auch die Ursache für den erlittenen Schaden. Dies eröffnet den betroffenen Patienten die Möglichkeit, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Besonders besorgniserregend ist die Tatsache, dass in 75 Fällen ein Behandlungsfehler zum Tod des Patienten geführt hat – im Vorjahr waren es 84 Fälle.
Weiterhin wurden bei knapp 30 Prozent der Betroffenen dauerhafte Schäden verzeichnet. Diese reichen von leichten bis hin zu schweren Dauerschäden und beinhalten unter anderem chronische Schmerzen, Pflegebedürftigkeit, Erblindung oder Lähmungen.
Dunkelziffer und Never Events
Es ist wichtig zu beachten, dass die genannten Zahlen nicht repräsentativ sind. Der Medizinische Dienst geht von einer höheren Dunkelziffer aus und vermutet, dass etwa ein Prozent der stationären Behandlungen mit Fehlern und vermeidbaren Schäden verbunden sind.
Besonders kritisch sind die sogenannten «Never Events», Ereignisse, die nicht hätten passieren dürfen. Im Jahr 2023 wurden 151 solcher Fälle gemeldet, darunter Verwechslungen von Patienten oder OP-Materialien. Ein Beispiel hierfür ist der Fall einer 39-jährigen Patientin, bei der bei einem Eingriff versehentlich eine Sterilisation durchgeführt wurde, anstatt eine Zyste zu entfernen.
Forderungen nach Verbesserung
Der zuständige Vorstandschef des Medizinischen Dienstes Bund, fordert eine bundesweite Meldepflicht für Never Events, um solche Fehler künftig besser zu erfassen und zu vermeiden. In vielen anderen Ländern wie Großbritannien oder den USA gibt es bereits erfolgreiche Meldesysteme, die zur Verbesserung der Patientensicherheit beitragen.
Zusätzlich wird vorgeschlagen, eine «Vertrauensstelle» einzurichten, die Fehler unabhängig von haftungsrechtlichen Fragen elektronisch erfasst. Diese Institution könnte dazu beitragen, Prozesse besser zu analysieren und so zukünftige Fehler zu vermeiden.
Kritik an der Politik und dem Gesundheitswesen
Die aktuelle Lage in der Medizin hat auch zu scharfer Kritik an der Politik geführt. Fachleute bemängeln, dass es an einer systematischen Strategie zur Verbesserung der Sicherheitskultur in der medizinischen Versorgung mangelt. Trotz guter einzelner Initiativen bleibt die notwendige gesetzliche Grundlage zur Patientensicherheit weitgehend unzureichend.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisiert ebenfalls den Umgang mit Fehlern in der Medizin und weist darauf hin, dass eine echte Fehlerkultur in Praxen und Pflegeheimen fehlt. Dies führt dazu, dass Patienten in Deutschland oft im Stich gelassen werden.
Fazit
Die Zahlen des Medizinischen Dienstes Bund zur Behandlungsfehlerstatistik 2023 sind alarmierend und verdeutlichen die Notwendigkeit für umfassende Maßnahmen zur Verbesserung der Patientensicherheit. Während das Bewusstsein für Behandlungsfehler zunimmt und mehr Patienten bereit sind, ihre Erfahrungen zu teilen, bleibt viel zu tun. Eine stärkere gesetzliche Regelung und ein effektives Meldesystem könnten dazu beitragen, das Vertrauen der Patienten in die medizinische Versorgung zu stärken und künftige Fehler zu verhindern. Gleichzeitig ist es unter der aktuellen Lage sicherlich notwendig, Klinikpersonal zu entlasten und genügend Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Jeder Mensch ist fehlbar und medizinisches Personal sollte nicht unter dauerndem Druck arbeiten müssen und die Leidtragenden eines Personalmangels sein, der zu Fehler führen kann. Daher ist es dringend notwendig, dass sowohl die Politik als auch die Gesundheitsdienstleister gemeinsam an einer Kultur arbeiten, die Fehler minimiert und die Sicherheit von Patienten an erste Stelle setzt.
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